Meinen Garten im Zürcher Weinland habe ich vor mehr als zehn Jahren übernommen. Er liegt leicht terrassiert auf der Südseite des Hauses und ist knapp 700 qm gross. Prägnantes Merkmal ist eine Rottanne, die von weitem ins Auge fällt. Sie geht auf die ehemaligen Vorbesitzer zurück, wie auch diverse Obstbäume (Zwetschge, Apfel, Quitte, Pfirsich), Beerensträucher (Johannisbeere, Himbeere, Brombeere) und einige Ziersträucher (Schneespiere, Forsythie).
Der Garten hat durch seine Lage ein mildes Mikroklima und ist von drei Seiten von anderen Häusern und Zugangsstrassen umringt. Um unsere Privatsphäre zu wahren und den Garten als Lebensraum für tierische Bewohner noch heimeliger zu machen, finden sich auf drei Seiten sowohl selbstgebaute Abgrenzungen aus Holz und Kletterpflanzen wie auch Hecken unterschiedlichster Höhe. Deshalb wird er von einigen Nachbarn auch liebevoll als Dschungel bezeichnet.
Von der Ödnis zur Wildnis
Der Garten war zu Beginn eher eine Ödnis, denn eine Wildnis. Denn er diente lange Zeit vornehmlich Hühnern als Auslauf und Menschen als Gemüselieferant. Der Boden war an den meisten Stellen unbedeckt und sehr gut gedüngt. Mit Ausnahme der Bäume, zahlreicher Forsythien, einem Spierstrauch, einigen Zierrosen, Akeleien und Tulpen war Pflanzenmässig nicht viel los.
Die vielen Forsythien wurden kontinuierlich reduziert und zu Abgrenzungen umgenutzt. Über die Jahre haben sich die meisten nun vorhandenen Sträucher und Bäume, die zumeist als Hecke an den drei Gartenrändern wachsen, von selbst angesiedelt. Es sind einheimische Arten wie Hartriegel, Haselnuss, Holunder, Gemeine Heckenkirsche, Gemeine Berberitze, Feldahorn, Liguster, Pfaffenhütchen, Schneeball, Stechpalme und Weiden. Die Gehölzstrukturen habe ich mit Alpenjohannisbeere, Bibernellrose, Kartoffelrose, Kornelkirsche, Roter Heckenkirsche und Zimt-Rose ergänzt.
Stimmige Pflanzengemeinschaften
Die Flächen vor den Hecken und unter den Bäumen wurden nach und nach mit Stauden und Geophyten bepflanzt. Anfangs noch mit totaler Unkenntnis und dem Fokus «Die Blüte ist so schön. Die Staude will ich haben.», weshalb viele Stauden immer wieder mirakulöserweise verschwanden. Die Nackschnecken haben ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen.
Mit der Zeit habe ich zum Glück gelernt, genau hinzuschauen, zu beobachten und die Stauden ihren Bedürfnissen entsprechend zu platzieren. Das birgt aber auch heute noch immer Überraschungen, denn gewisse Stauden fühlen sich im Garten einfach partout nicht wohl. Wie bei den Sträuchern sind einige Stauden von alleine gewachsen. Diese Pflanzen sind meist stark und robust, da sie sich ihren optimalen Standort selber ausgesucht haben. Mittlerweile ist deshalb eine stimmige vielfältige Staudengemeinschaft entstanden, vornehmlich mit Pflanzen, an denen Schnecken vorbeiziehen.
Verwunschenes Gartenidyll
Zwischen den Obstbäumen und den Stauden habe ich Gräser und wilde Kräuter wachsen lassen. Das schützt einerseits den Boden, macht den Bodenlebewesen Freude und beglückt unsere Gesundheit. Damit der Garten aber dennoch zugänglich bleibt, mähe ich regelmässig mit einem Handmäher Wege frei.
Durch die alten Bäume mit ihrem knorrigen Wuchs, dem vielen Grün, den geschlungenen Wegen sowie den zahlreichen Strukturen, Nischen und Lichtverhältnissen wirkt der Garten ein wenig verwunschen. Überall gibt es etwas zu entdecken und das Auge kann sich dennoch im vielfältigen Grün ausruhen.
Strukturreiche Vielfalt
Mein Garten beheimatet nicht übermässig viele Pflanzenarten, aber sehr viele unterschiedliche Nischen, wilde Ecken mit Brennnesseln, sehr vielen Kleinstrukturen mit Totholz, Steinen und Moos sowie zwei kleinen Teichen. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie diese zwei Mini-Tümpel vor Leben sprühen. Da tummeln sich Bergmolche, Grasfrösche und diverse Libellen auf wenigen Quadratmetern. Auch zahlreiche Singvögel, Igel, Grashüpfer, Käfer, Wildbienen, Schwebfliegen, Spinnen, Gliederfüssler, Würmer und viele weitere Tiere leben im Garten.
Obwohl mir einheimische Pflanzen sehr am Herzen liegen, bin ich keine Puristin. Für mich ist ein Garten auch ein Ort der Kultur. Das bedeutet, neben Wildpflanzen auch Zierpflanzen zuzulassen. Darum durfte beispielsweise auch die zugewanderte Kirschpflaume Prunus cerasifera bleiben. Sie ist nicht nur eine Insekten-, sondern auch eine Augenweide. Auch der Spierstrauch durfte bleiben, da er einen wunderbaren Duft verströmt.
Der Grossteil der Pflanzen ist dennoch heimisch. Unter den Stauden finden sich unter anderem viele Vertreter aus der Familie Storchschnabelgewächse (Geraniaceae), Rosengewächse (Rosaceae), Lauchgewächse (Alliaceae), Glockenblumengewächse (Campanulaceae), Nelkengewächse (Caryophyllaceae) und Primelgewächse (Primulaceae).
Beobachten, Staunen und Erfahren
Grundsätzlich greife ich möglichst wenig in den Boden und die gewachsenen Strukturen ein. Ich schaue, was wo wächst, und passe mich entsprechend an. Das bedeutet, dass ich genau hinschaue, beobachte, mich quasi in den Platz hineinfühle. Das hat seine Zeit gebraucht und vor allem einen grossen Mentalitätswandel mit sich gebracht.
Als ausgebildete Umweltnaturwissenschaftlerin ETH habe ich den Garten anfangs mit systematischen Augen betrachtet. Alles eingeteilt und mich an den etablierten Erkenntnissen orientiert. Durch meine autodidaktischen Erfahrungen als Gärtnerin habe ich jedoch gemerkt, dass vieles, was als gesichert gilt, im Garten nicht funktionierte. Die Natur ist mehr als die Summe von physikalischen und chemischen Formeln. Sie ist ein lebendiger Organismus mit einer eigenen Dynamik, die nicht immer mit dem Verstand zu erfassen ist.
Wenn ich zudem in die unterschiedlichsten Lebenswelten von Pflanzen und Tieren eintauche, wächst mein Verständnis für die grossen Zusammenhänge und meine Demut gegenüber der Natur. Zu beobachten, wie Blattläuse geboren werden, Igelkinder ihre Umgebung erkunden oder Spinnen jagen, erweitert den Horizont ungemein. Der Garten schult auch meine Gelassenheit und meine Geduld, zum Beispiel wenn mal wieder Pflanzen verschwinden oder Pflanzen sich von selbst ansiedeln.
Deshalb finde ich das Konzept der Spontanen Gärten äusserst spannend. Und mehr denn je, überlasse ich es den Pflanzen, mir zu zeigen, welche Nachbarn sie sich wünschen und welche doch lieber an einem anderen Ort stehen sollen. Dadurch stehen die Pflanzen an ihrem bevorzugten Standort, sind robust und gesund und mich freut’s.
Portrait meines Gartens und Wirkens im Magazin „Bioterra“ März 2020, verfasst von Katharina Nüesch
Bildquelle alle Bilder: © Isabelle Blum
Ein schöner Einblick in dein Garten und auch in den Lernen. Als Gast in einem Garten sieht man ja immer nur, was jetzt da ist und nicht, was verschwunden ist. Spannend deshalb zu hören, dass auch bei dir nicht alles so gekommen ist, wie ursprünglich geplant. Aber das jetzige Ergebnis ist auf jeden Fall auf den Bildern wundervoll!
Danke dir Jessica. Ja, der Wandel gehört zu einem lebendigen Garten. Und das Lernen ebenfalls. Und beides nimmt kein Ende …