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Flatternde Morgenröte

Mit etwas Glück kann man nun wieder dem Aurorafalter (Anthocharis cardamines) begegnen. Die Männchen sind unverkennbar mit ihren orangefarbenen Flecken auf den Vorderflügeln, die ihnen im Englischen den Namen „Orange-tip“ einbrachten. Den Weibchen fehlt dieses farbige Kennzeichen, sie ähneln anderen Vertretern der Familie der Weisslinge (Pieridae). Beide Geschlechter haben aber eine typische grünliche Musterung auf der Unterseite der Hinterflügel und können so auch in ruhendem Zustand mit zusammengeklappten Flügeln erkannt werden.

Schön gemusterte Flügelunterseite. © Dani Pelagatti

Den Winter verbringt der Aurorafalter als Puppe, befestigt an einem dürren Stängel. Wenn im Frühling das Wiesen-Schaumkraut zu blühen beginnt, schlüpfen die fertigen Falter und gaukeln durch geeignete Lebensräume auf der Suche nach möglichen Partnern und Eiablagepflanzen. Sie kommen in verschiedenen Wiesentypen vor, auch in lichten Wäldern und an Waldsäumen kann man sie finden.

Fetwiese im Frühling, mit Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis), Löwenzahn (Taraxacum officinale) und Sauerampfer (Rumex acetosa). © Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs 

Aber auch in Gärten fühlt sich der Aurorafalter wohl, wenn diese naturnah gestaltet sind. Mit einfachen Massnahmen lässt sich der Frühlingsschmetterling hier fördern. Zuerst gilt es, die richtigen Raupenfutterpflanzen anzubieten. Der wissenschaftliche Artname „cardamines“ verweist diesbezüglich bereits auf die Gattung der Schaumkräuter (Cardamine). Die häufigste und bekannteste Art ist das bereits erwähnte Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis), das vielen Wiesen im Frühling einen rosa Schleier verpasst. Im Garten lässt es sich leicht in eine wenig gemähte, nicht zu trockene Blumenwiese integrieren, oder an den Rand eines Staudenbeetes im Halbschatten. Das Wiesenschaumkraut ist nicht nur eine der wichtigsten Futterpflanzen für den Aurorafalter, auch die Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) entwickelt sich gerne an ihm. Ihre Larven verraten sich durch kleine Schaumgebilde, in deren Schutz sie Pflanzensaft saugen und die den Schaumkräutern zu ihrem Namen verhalfen.

Ein weiterer Kreuzblütler, an den der Aurorafalter bevorzugt seine Eier legt, ist die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata). Sie ist zweijährig, bildet also im ersten Jahr bloss eine Blattrosette und zeigt im zweiten ihre weissen Blüten. Man findet die Knoblauchsrauke, die übrigens essbar ist und tatsächlich leicht nach Knoblauch schmeckt, in Heckensäumen und an Waldrändern, oft in Gruppen. Im Garten lässt sie sich durch Aussaat an vergleichbaren halbschattigen Standorten ansiedeln.

Ähnliche Ansprüche hat auch das Garten-Silberblatt (Lunaria annua), das eine altbekannte Gartenblume ist und nicht nur im Frühling mit leuchtendvioletten Blüten punktet, sondern auch wegen der zierenden rundlichen Schoten mit der pergamentartigen Scheidewand beliebt ist. Auch hier legen Aurorafalter ihre Eier ab, wie auch an der Nachtviole (Hesperis matronalis), die ebenfalls eine jahrhundertelange Gartentradition aufweisen kann. Die Nachtviole sieht nicht nur toll aus, sie duftet auch herrlich in der Dunkelheit.

An die genannten vier Kreuzblütler und einige wenige andere Arten aus dieser Familie, z.B. Ackersenf (Sinapis arvensis) und Turmkraut (Turritis glabra), legen die Aurorafalterweibchen ihre Eier einzeln im Blütenstand ab. Die frisch geschlüpften Räupchen fressen zuerst an den Blütenanlagen und unreifen Samenschoten und dehnen mit der Zeit ihren Frassbereich weiter aus. Sie sind durch ihre gute Tarnung nicht leicht im Grün der Pflanzen zu entdecken.

Auch als Puppe werden sie oft übersehen, wirken sie doch wie vertrocknete Pflanzenteile. Man findet sie am ehesten im unteren Bereich dürrer Pflanzenstängel, oft an den Futterpflanzen selber. Womit wir bei einer weiteren Fördermassnahme wären: Verblühte Stängel sollte man wenn möglich stehen lassen, damit die Puppen ungestört überwintern können. Davon profitiert nicht nur der Aurorafalter, sondern auch viele andere Insekten. Und unser Auge kann sich im Winter an vielfältigen Stängelstrukturen erfreuen, statt in einen ausgeräumten Garten zu blicken.

Damit im Frühling die geschlüpften Falter nach ihrer langen Puppenruhe ausreichend Nektar finden, ist ihnen mit einem üppigen Blütenangebot im Garten gut gedient. Beim Blütenbesuch sind sie wenig wählerisch. Oft saugen sie an den Blüten ihrer Raupenfutterpflanzen, aber auch andere Frühlingsblumen werden gerne besucht. Bieten wir ihnen und all den anderen Frühlingsinsekten also einen abwechslungsreich gedeckten Tisch im Garten!

Frühlingsblüte im halbschattigen Gartenbeet: Grosse Sternmiere (Stellaria holostea), Süsse Wolfsmilch (Euphorbia dulcis) und Nesselkönig (Lamium orvala). © Dani Pelagatti

Dani Pelagatti

Wissenschaftlicher Illustrator und Spezialist für lebendige Gärten, mit Blick fürs Detail und Freude am vielfältigen Ganzen

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