Zu den Klassikern in naturnahen Gärten gehören die Karden. Sie beeindrucken durch aufrechten, standfesten Wuchs und bizarre Blütenstände, die auch im verblühten Zustand noch lange attraktiv sind. Die Blüten erfreuen sich regen Insektenbesuchs und die Samen locken Scharen von Stieglitzen und anderen Singvögeln an.
Bis vor kurzem bildeten die Karden zusammen mit Skabiosen, Witwenblumen und Schuppenköpfen eine eigene botanische Familie, neuerdings wurden sie aber den Geissblattgewächsen (Caprifoliaceae) zugeteilt. Die bei uns vorkommenden Arten sind alle zweijährig, bilden also im ersten Jahr eine dem Boden aufliegende Blattrosette, die überwintert und aus der im zweiten Jahr die Blütentriebe emporwachsen. Aussergewöhnlich sind bei den meisten Arten die zapfenförmigen Infloreszenzen, in deren Mitte sich die Blüten als Ring öffnen, der sich dann teilt und nach oben und unten weiterblüht. Nach der Blüte stirbt die Pflanze ab und sorgt mit reichlich Samen für eine neue Kardengeneration. In Asien kommen auch Karden vor, die nach der Blüte weiterleben und mehrere Jahre immer wieder blühen.
Eine Besonderheit mancher Kardenarten sind die tütenförmig verwachsenen Achseln der Stängelblätter. Hier sammeln sich Regenwasser und Tau, so dass entlang des Stängels mehrere kleine Wasserbassins entstehen. Diese Minigewässer erschweren flugunfähigen Frassfeinden den Aufstieg in obere Regionen der Karde. Es gibt auch Vermutungen, dass die Pflanze die Verwesungsstoffe der im Wasser verendeten Insekten aufnehmen.
© Sander Kunz
Der wissenschaftliche Gattungsname Dipsacus leitet sich vom griechischen dipsa für Durst ab und soll daher stammen, dass Vögel aus den Kardenteichlein trinken. Durstigen Wanderern sei hiermit ebenfalls geholfen, allerdings scheint mir die Brühe aus ertrunkenen Insekten und Nacktschnecken wenig appetitlich. Genauso wenig nachvollziehbar ist die Verwendung dieses Wassers in der Schönheitspflege, was sogar zur Bezeichnung Venusbad geführt habe. Wems gefällt…
In früheren Zeiten wurden Zubereitungen aus Kardenwurzeln gegen allerlei Hauterkrankungen, sowie Magen- und Leberleiden eingesetzt, heute diskutiert man über deren Wirksamkeit in der Behandlung von Borreliose.
Am häufigsten begegnet uns die Wilde Karde (Dipsacus fullonum). Sie wächst an gestörten Stellen, bevorzugt in nährstoffreichem, frischem Boden in sonniger Lage. Also nicht an mageren, trockenen Standorten, wie einem manchmal für den Naturgarten empfohlen wird. Denn hier entwickeln sie sich höchstens zu mickrigen Exemplaren, während sie unter idealen Bedingungen locker 2m Höhe erreichen.
© Dani Pelagatti
Noch höher kann die Schlitzblättrige Karde (Dipsacus laciniatus) werden. Ihre Standortansprüche entsprechen denen der vorherigen Art. Sie unterscheidet sich von ihr durch noch strafferen Wuchs, weissliche Blüten und fiederteilige Blätter. Ähnlich, aber zierlicher und deutlich stacheliger ist die mediterrane Stachel-Karde (Dipsacus ferox). Sie würde sich als Bereicherung unserer Gärten eignen, leider ist davon aber kaum Saatgut erhältlich.
© Sander Kunz, Dani Pelagatti
© Dani Pelagatti
Die Weber-Karde (Dipsacus sativus) ist heute kaum noch zu finden. Früher wurde sie wegen ihrer Samenstände feldmässig angebaut. Dank ihrer arttypisch hakig gekrümmten und sehr stabilen Spreublätter dienten sie nämlich in der Textilverarbeitung als Werkzeug zum Aufrauen von Wollstoffen. Im Zuge der Industrialisierung verlor der Anbau der Weber-Karde aber an Bedeutung, was fast zum Verschwinden dieser Kulturpflanze führte. Man kann ihr noch am ehesten in Botanischen Gärten begegnen.
© Dani Pelagatti
© Dani Pelagatti
© Dani Pelagatti
© Dani Pelagatti
Die Behaarte Karde (Dipsacus pilosus) tanzt etwas aus der Reihe. Sie kann zwar auch 2m hoch werden, ist aber von grazilerem, weiter verzweigtem Wuchs und trägt zahlreiche kugelige, kleine Blütenstände. Ihr Lebensraum sind nährstoffreiche Krautsäume, aber man begegnet ihr hier nicht oft. Aus dem Südosten ist eine ähnliche Verwandte in Mitteleuropa als Neophyt auf dem Vormarsch, die Schlanke Karde (Dipsacus strigosus). In Deutschland hat sie sich schon ziemlich ausgebreitet, aus der Schweiz sind erst wenige Funde bekannt. Die beiden Arten sind auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden, bei genauerem Hinsehen erkennt man aber doch deutliche Unterschiede, wie z.B. die Farbe der Staubgefässe oder die Grösse der Blütenköpfchen. Bleibt zu hoffen, dass dereinst bei Neophytenbekämpfungsmassnahmen durch Unwissen nicht auch Bestände der seltenen heimischen Behaarten Karde getilgt werden…
© Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs
Alle Karden ziehen nicht nur in voller Blüte die Blicke auf sich, sie zieren den Garten auch im dürren, abgestorbenen Zustand und sollten deshalb im Herbst möglichst stehen gelassen werden. So sorgen sie für Struktur und schöne Anblicke im winterlichen Garten und dienen gleichzeitig als Futterstation für Vögel. Ihre Samen gehören z.B. zu den Leibspeisen von Stieglitzen (Carduelis carduelis), die sich oft in ganzen Gruppen zur Kardenernte einfinden. Die dürren, meist hohlen Stängel können zudem von Insekten zur Überwinterung oder Eiablage genutzt werden.
© Sander Kunz, Dani Pelagatti
Wer Karden im Garten ansiedelt, sollte sich bewusst sein, dass sie sich auf offenem Boden üppig aussäen und für sehr viel Nachkommen sorgen können. An bewachseneren Standorten ist dies deutlich weniger der Fall, hier müssen sogar ab und zu freie Stellen geschaffen werden, damit sich die kurzlebigen Stachelriesen halten können. Ob überschüssigen Nachwuchs jäten oder für geeignete Plätze sorgen, der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall!
Toller Blog zur Karde, bei mir wachsen sie tatsächlich sehr hoch. Habe gerade mal nachgesehen, wie sich die Jungpflanzen machen. Ich hatte etwa 20-30 ausgesäät, sind alle gekommen, mussten aber jetzt -20 Grad aushalten.
Karden sind insgesamt tolle Pflanzen! Wenn es bei euch besonderen Samen gibt wäre ich wohl interessiert.
Vielen Dank! Ja, Karden sind eindrückliche Gewächse.
Und danke auch für das Interesse an Saatgut. Es ist tatsächlich vorgesehen, hier zu gegebener Zeit auch Samen von interessanten Arten anzubieten.